Betonglasfenster

von Hubert Spierling (1925-2018)
Art brut in der Unterkirche

Betonglasfenster Unterkirche

Foto: Adam Weiber

Besonders bei Abendsonne kommt das große Betonglasfenster in der Unterkirche zum Leuchten. Es nimmt die Stirnwand des niedrigen Raumes in ganzer Breite ein, ist die einzige direkte Lichtquelle und bringt das Altarensemble zur Geltung. Die Elemente aus farbigem Dickglas in verschiedenen Größen, Formen und Farben sind in Metallrahmen gesetzt und mit Betonguss verfugt, der geschwärzt ist. Die Rahmen befinden sich hinter 22 schwarzen Pfeilern. Die netzartigen breiten und schmalen Betonfugen überlagern optisch die senkrechten Pfeiler, wachsen sozusagen durch sie hindurch. Das Gesamtbild setzt sich so aus farbigem Glas sowie schwarzen Fugen und Pfeilern zusammen, die gleichermaßen bildwirksam sind.
Ist in dem Fenster ein Bildmotiv zu erkennen oder eine freie Komposition zu sehen? Bei dem strahlend roten Muster vor weißem Grund in der Mitte kann man sich an einen Kelch, an einen Tempelleuchter oder auch an ein Y-förmiges Kreuz (Gabelkreuz) erinnert fühlen.
„Ich mache symbolische Fenster, aber ich male keine Symbole“, sagte Hubert Spierling selbst im Interview (2009). Spierling gilt als einer der wichtigsten Vertreter der Glasmalerei in Deutschland nach 1945. Die Glaswand-Bauelemente wurden 1959 in den Werkstätten für Glasmalerei und Mosaik Wilhelm Derix in Düsseldorf-Kaiserswerth hergestellt. Spierling arbeitete mit gegossenem Glas, nicht wie später üblich mit angelieferten Platten, die zugeschnitten oder gehämmert werden mussten. Jedes Glasstück ist ein handgefertigtes Gussunikat, wurde nach Spierlings Aussage in einer belgischen Glashütte nach einem 1:1-Karton eigens gegossen.
Spierling passte die Glaswand der Unterkirche an, die er selbst als Krypta bezeichnete, aber sie passt auch zur Gesamtarchitektur von Liebfrauen. Dickglas in Beton als ‚art brut’: „Betonglas als Brutalismus in der Glasmalerei“ (Holger Brülls).

Betonglasfenster Gesamtsicht Photomontage

Fotomontage: Dr. Philipp Reichling OPraem

Literatur:
Brülls, Holger u.a. (Hrsg.): Hubert Spierling: Malerei und Glasmalerei, Paderborn 2010.
https://www.glasmalerei-museum.de/content/2-ausstellungen/1-sonderausstellungen/30-hubert-spierling-malerei-und-glasmalerei/spierling-faltblatt-2010_klein.pdf (abgerufen 19.02.2019).